Es sind so Phänomene, die der Alltag enthält und gleichzeitig ganz tiefgehende Dinge, die sich kreuzen. Mein Nagellack blättert langsam ab, die Bäume verlieren ihre Blätter. Am Sonntag noch hatte ich ein kleines Kind auf dem Schoß und war begeistert von seiner Lebendigkeit und heute sehe ich einen heruntergekommenen Mann, der seine alte Mutter im Rollstuhl umher schiebt. Immer wieder hält er an, redet auf sie ein und will sie aufwecken. Aber sie bleibt regungslos mit geschlossenen Augen sitzen. Vor einigen Wochen habe ich die beiden vor einem Eiscafé getroffen, er hat ihr eine Eistüte gebracht und sich mit ihr an dem lauen Abend recht rührselig beschäftigt. Und jetzt – ist sie tot? Ist sie womöglich vorhin still und leise von ihrem Sohn gegangen, für den sie zur Lebensaufgabe geworden war?
Angesicht des Todes mitten im Leben
Diese Gedanken haben mich ziemlich verfolgt und traurig gemacht. Tod und Leben, das liegt so nah beieinander. Sobald jemand in diese Welt geboren wird, hat er schon wieder Potential, zu gehen. Tod hat doch meist diesen Beigeschmack von später Zukunft. Und seine vage Existenz im öffentlichen Gespräch und Alltag bewirkt, dass wir uns einige Ausreden einfallen lassen. Ausreden dafür, unser Leben nicht so leben zu müssen, wie wir es sollten und vielleicht auch eigentlich wollen. Zumindest noch nicht. Aber werden wir wirklich irgendwann aufwachen, wenn wir uns nach dieser Prämisse richten – wenn ich noch nicht bald von der Welt gehe, hab ich noch genug Zeit um Fehler zu machen, falsche Verhaltensweisen zu verfestigen, zu bereuen und mich dann schwungartig im perfekten Schritt in Richtung Tod zu bewegen?!
Zeit auskaufen
Was soll das? Der Prediger in der Bibel sagte schon, dass das Leben nur ein Hauch ist. Kaufen wir die Zeit aus, so wie es geraten wird? Es geht hier nicht darum, alles zu machen, was möglich ist. Sich abzurackern und perfekt zu werden. Nein – der Prozess ist oft schon das Ziel, das wir auf dieser Erde verfolgen können. Gott an uns ranlassen, in unseren Alltag. Nicht zu verzweifeln am bevorstehenden Tod, wann auch immer der kommen mag, und auch nicht an seinen Vorwegerscheinungen – der gestorbenen menschlichen Natur, die uns selbst und anderen das Leben manchmal so schwer macht.
Lassen wir Jesus unseren Anfang und unser Ziel sein, unabhängig von Geburt und Tod. „Tod, wo ist dein Stachel?“ 1. Korinther 15,55